Ein Jahr "beim Forst"

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Jagd beim Forst

Ein Abschlussbericht über mein Jahr in einem Forstamt
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In Folge eines Umzugs war das Revier, in dem ich seit der Erlangung meines Jagdscheins zur Jagd gehen darf, in solche Ferne gerückt, dass es nur mehr schwer für spontane Ansitze zu erreichen war. 1,5 Stunden Fahrt pro Strecke ermöglichten den Sommer über zwar Abendansitze – Ansitze zum Sonnenaufgang wurden hingegen mit drastischen Schlafdefiziten bestraft, wenn man sich nicht schon am Abend zuvor in die Jagdhütte begeben wollte.

Mir kam es also gerade recht, dass ich zum Jahresanfang 2023 über eine Anzeige stolperte, die einen Begehungsschein beim Forstamt in der Nähe enthielt. Neben Rehwild als Hauptwildart waren dort Schwarzwild, Rotkahlwild und -hirsche der Klasse III freigegeben.

Ich möchte euch hier meine Version der Jagd „beim Forst“ vorstellen. Als jemand, der die Jagd in einem klassischen und traditionell bejagten (Feld-)Revier kennt, weil er dort sozialisiert wurde und dort weiterhin – jetzt wieder ausschließlich – die Jagd ausüben darf. Möglicherweise kann dieser kleine Beitrag all denjenigen eine Hilfe sein, die sich ebenso für eine Jagd in einem der Forstämter interessieren, wohl wissend, dass ich hier nur für ein konkretes Forstamt sprechen kann.

Wie ging es also los?
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Nach kurzer Korrespondenz mit dem Forstamt erfolgte die unkomplizierte Abwicklung des Papierkrams. Nach der Übersendung der Revierkarte machte ich mich gleich auf den Weg, mir einen Überblick über die dort verzeichneten Ansitzmöglichkeiten zu verschaffen. Dank exakter Hinterlegung sämtlicher Einrichtung per Koordinaten bereitete dies keinerlei Schwierigkeiten und ein erster Eindruck war schnell gewonnen. Die meisten Ansitzeinrichtungen waren in einem guten Zustand – schnell war auch eine ausgeguckt, auf der der erste Ansitz am folgenden Morgen erfolgen sollte.

Streckenerwartung trifft Realität

„Forstreviere sind leergeschossen!“
Solche oder ähnliche Aussagen sind es, die man aus vielerlei Mündern hört. Zugegeben, auch ich habe deswegen nicht viele Erwartungen an die Jahresstrecke gehabt. Im Feldrevier schieße ich im Schnitt 15 Stück Rehwild im Jahr, wobei die Abschussvorgaben dort recht restriktiv sind. Dazu kommen üblicherweise 10 Stück Schwarzwild und eine ganze Menge Raubwild.
Unter der Prämisse, dass die Rehwilddichte sicherlich geringer und die Chancen schwieriger als im Feld zu nutzen sein würden, ging ich von 3-5 Stück Rehwild aus und wäre damit zufrieden gewesen. Mir war es einfach wichtig, Jagd als Ausgleich zum Alltag in der Nähe ausüben zu können, weshalb ich die Möglichkeit beim Schopfe packte.

Die Überraschung: Letztlich lagen 12 Stück Rehwild auf der Strecke.
2 Schmalrehe
5 Böcke
3 Kitze
2 Ricken

Ich hatte selten mal einen Ansitz, bei dem nicht wenigstens in der Wärmebildkamera Rehwild in Anblick kam.1707254869751.jpeg Nutzbar waren die Chancen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht immer. Allen voran war der Freizeitdruck ein Problem, der oftmals Schüsse vereitelte. Zur Strecke lässt sich sagen, dass ich alle Stücke auch unter den Freigaben des traditionell geführten Feldreviers geschossen hätte, handelte es sich doch ausnahmslos um „passendes“ Wild. Soviel zu dem Vorwurf, dass "man" beim Forst ja eh alles totschieße.

Organisation und Kameradschaft

Dieser Punkt ist sehr auf den Einzelfall bezogen und wohl nicht geeignet, eine generelle Aussage über die Jagd beim Forst zu treffen. Bei mir war es so, dass für das Revier mehrere Jagderlaubnisscheine vergeben wurden. Von den Leuten, die dort jagen durfte, kamen die meisten nur sehr sporadisch, sodass ich viele nicht einmal kennen gelernt habe. An Gemeinschaft schienen sie auch nicht sonderlich interessiert zu sein, sodass ich dahingehende Vorstöße gleich wieder einstellte und beschloss, dann ebenso mein eigenes Ding zu machen. Schade und für mich ungewohnt, aber wohl nicht zu ändern. Das Problem an der Sache war jetzt nur, dass die Leute sich zwar zu ihren Ansitzen in der Chat-Gruppe ankündigten, Erfolgsmeldungen jedoch ausblieben. Damit wusste man nie, ob und wo jemand Erfolg gehabt hat, um seine eigenen Ansitze entsprechend auszurichten. Auch Anblick wurde von einigen streng geheim gehalten. Wie ich im Nachgang erfuhr, galt dies vor allem für jene, die am Ende gar nichts zur Strecke brachten...

Wie ich erst im Laufe der Zeit zufällig mitbekam, war es auch unter den Förstern üblich, kräftig in dem Revier mitzujagen. Rückblickend kann ich das sogar verstehen, schossen doch von insgesamt 10 Jagderlaubnisscheininhabern 6 kein einziges Stück Wild. Und dass, obwohl sie schon im zweiten Jahr dort zur Jagd gehen. (Ich hörte in dem Kontext mal etwas von einer Mindestforderung von 5 Stück Schalenwild, wenn man im Folgejahr eine neue Jagderlaubnis lösen wollte. Ob das stimmt und warum davon abgewichen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.) Unglücklich war ich darüber jedoch deswegen, weil sich die Förster nicht einmal in der Jagdgruppe bezüglich ihrer Ansitze anmeldeten. Erfolgreich waren sie, das konnte ich an der Streckenliste in der Wildkammer sehen. Wo sie es waren, blieb leider oftmals ein Geheimnis.

Abschluss

Die Jagd beim Forst war eine gute Erfahrung. Ich habe meinen ersten Rothirsch in freier Wildbahn vor der Büchse gehabt, was ein Erlebnis war, das ich wohl nie wieder vergessen werde. Auch oder gerade weil ich ihn ziehen ließ, da ich mangels praktischer Rotwilderfahrung keinen Fehlabschuss tätigen wollte.

Ansonsten war ich erfolgreicher als erhofft, die Kühltruhe ist gut gefüllt und auch Familie und Freunde konnten mit bestem Rehfleisch versorgt werden.

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Und doch habe ich mich dagegen entschieden, nächstes Jahr dort einen neuen Jagderlaubnisschein zu lösen. Warum? Mir gefällt es nicht, dass jeder sein eigenes Ding macht und auch die dortige Forstfraktion kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Jägern zu haben scheint. Ich erachte Absprachen im Hinblick auf Ansitze aus verschiedenen Perspektiven für sinnvoll. Nicht zuletzt, um nicht morgens dort zu sitzen, wo jemand den Abend zuvor bereits zwei Stücke Wild erlegt hat.. Den Kontakt zum zuständigen Förster habe ich mehr als einmal gesucht, was nicht unfreundlich, aber doch mit einem gewissen Desinteresse zur Kenntnis genommen wurde.
Für den Fall, dass jemand lieber alleine jagt und keinen Wert auf Kameradschaft legt, spricht dennoch einiges für die Jagd beim Forst. Es fielen keinerlei Verpflichtungen an, die die Erbringung eines finanziellen Beitrags überstiegen, sodass vor allem die Zeitplanung kein Problem darstellte.
Ich wage zu behaupten, dass die Erfolglosigkeit einiger Mitjäger an individuellen Verhaltensweisen und nicht an den Möglichkeiten lag, die das Revier zu bieten hatte. Etwas Übung kann wohl nicht schaden und ich kann mir vorstellen, dass es für besonders unerfahrene Jäger schwer sein kann, unter den gegebenen Bedingungen erfolgreich zu sein. All jenen kann man wohl raten, sich zunächst jemanden zu suchen, der ihnen die Basics näher bringt.

So geht es also im nächsten Jagdjahr für mich wieder im Feldrevier raus. Etwas weniger Freiheit im Hinblick auf „zu gute Böcke“ – dafür mehr Kameradschaft und gemeinsame Jagd. Daneben kann man noch dem ein oder anderen Jungjäger zur Seite stehen, was mir erst vor 2 Wochen wieder viel Freude bereitet hat. Aber das ist wohl eine andere Geschichte.

Manches kann und sollte man sicherlich mit einem Augenzwinkern lesen - für mich war es eine gute Erfahrung, mal das Kontrastprogramm zur Feldjagd erleben zu dürfen.

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In diesem Sinne wünsche ich euch bereits jetzt schon eine sichere Kugel und viel Waidmannsheil im neuen Jagdjahr!​
 
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Toll geschrieben. Vielen Dank, die Schilderung deines Jagdjahres wird sicher dem ein oder anderen bei seiner Entscheidung für oder gegen einen Pirschbezirk weiterhelfen. Was war mit Raubwildbejagung und Kirrungen? Erlaubt?
 
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Mitglied 21833

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Toll geschrieben. Vielen Dank, die Schilderung deines Jagdjahres wird sicher dem ein oder anderen bei seiner Entscheidung für oder gegen einen Pirschbezirk weiterhelfen. Was war mit Raubwildbejagung und Kirrungen? Erlaubt?
Vielen Dank!
Kirrungen, Raubwild und Kameras waren in dem Fall tabu.
 
M

Mitglied 21833

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Ich sehe jetzt erst, dass die Lesbarkeit auf dem Handy im Hochformat leider sehr bescheiden ist. Ich hatte es am Rechner geschrieben und bitte deswegen um Nachsicht - das Handy im Querformat gehalten schafft einigermaßen Abhilfe.
 

z/7

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320 ha ein Revier? Im Leben nicht. Und warum sollen da die Kollegen auch mit rumspringen, haben die keine eigenen Reviere?
 
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Ja...sehr gut und ehrlich und neutral geschrieben...und genau richtig..es muss für einen selbst passen ..für manche genau das richtige für manche eben nicht ...aber so schlecht wie oft dargestellt ist es nicht ....es muss halt für einen passen.
.
 
M

Mitglied 21833

Guest
320 ha ein Revier? Im Leben nicht. Und warum sollen da die Kollegen auch mit rumspringen, haben die keine eigenen Reviere?

Ja genau, ein Revier. Wahrscheinlich springen sie da rum, weil es das Rehwild auch tut. Näheres gerne per Pn.
 

z/7

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Ja genau, ein Revier. Wahrscheinlich springen sie da rum, weil es das Rehwild auch tut. Näheres gerne per Pn.
Dann reden wir iwo aneinander vorbei. Die normale Größe eines staatlichen Forstereviers liegt um die 800 ha, bis zu weit über 1.000. Im Großprivatwald teilweise sogar bis zu 3.000 ha.

320 ha kann kein komplettes Revier sein. Ich denke, das ist nur ein abgeschlossener Revierteil, und der Förster hat an anderer Stelle noch Flächen entsprechender Größenordnung zu betreuen.
 

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