Bruchgerechte Bäume

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childfromthemountains schrieb:
... Fragt sich nur, was Fruchtbarkeitssymbole mit Erlegen von Wild zu tun haben sollen ...
Ausgesprochen viele Kulturen verehrten Gottheiten, die sie für die Fruchtbarkeit der Felder und der Tiere verantwortlich machten. Insofern entstanden Riten und Bräuche um die Jagd, die den Dank für die Beute mit dem Dank an die Fruchtbarkeitsgottheiten verbanden. Die weitere Verbindung zur Einbindung von Fruchtbarkeitssymbolen in Jagdrituale ist dadurch folgerichtig und offensichtlich.
 
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Gude,

in den Zwanziger und Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die regional verschiedenen Riten und Bräuche sehr wesentlich durch Frevert und andere harmonisiert. Dabei gingen sicherlich regionale Bedeutungen und Bräuche verloren. Wie es eine "Normierung" heutzutage auch mit sich bringt, verliert die archaische und oft praktikable Historie eines Brauches an Bedeutung.

Ich widerspreche Skogman ausdrücklich, dass es DIE bruchgerechten Hölzer überhaupt gibt, vermute die Phallusbezogenheit der aktuellen Selektion eher der damaligen Zeit geschuldet und verweise auf den doch recht interessanten Artikel des Deutschen Jagdlexikons:

http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/in ... uchzeichen

}:-\
B
 
A

anonym

Guest
Skogman schrieb:
Ausgesprochen viele Kulturen verehrten Gottheiten, die sie für die Fruchtbarkeit der Felder und der Tiere verantwortlich machten. Insofern entstanden Riten und Bräuche um die Jagd, die den Dank für die Beute mit dem Dank an die Fruchtbarkeitsgottheiten verbanden. Die weitere Verbindung zur Einbindung von Fruchtbarkeitssymbolen in Jagdrituale ist dadurch folgerichtig und offensichtlich.
Dann muss ich noch einmal fragen:
Was haben "ausgesprochen viele Kulturen" mit unserer Kultur zu tun?
Eigentlich nichts, wäre man versucht zu sagen - es sei denn, man wollte damit eingestehen, dass die Rückbindung (-> Religion) eines Großteils des jagdlichen Lamettas eher im Heidentum wurzelt (wovon z.T. auch der Trophäenkult zeugt), als im aufgeklärt-christlichen Kontext.
Ich habe damit persönlich zwar kein Problem. Denn was ich wie ausübe, ist meine Sache.

Es zeigt mir aber die ganze Heuchelei, von wegen "Schöpfer im Geschöpf ehren" usw.
Hier werden wie im Toys-r-us der Kulturen bunte Schubladen aufgemacht und nach Lust und Laune Inhalte zusammen geschüttet. Frei nach Else Kling: "Wenn's schee macht..."

Es ist das Gleiche - von daher passt mein Hinweis auf das Osterei ganz gut - wie Ostern und Weihnachten als "christliche Feste" zu bezeichnen und dann bunte Hühnereier aufzuhängen oder sich in Konsumorgien zu ergehen. Das ist unsere wahre Kultur: Kulturvermischung bis nichts mehr übrig bleibt.
Insofern hast Du schon recht mit Deinen "ausgesprochen vielen Kulturen".

Nur sollte sich dann auch bitte keiner mehr aufregen, wenn bei jagdlichen Gebräuchen die nachkommenden Generationen vieles anders machen. Es gibt dann kein Anrecht auf "Korrektheit", da die Gepflogenheiten der Jungen am Ende eben auch nur eine weitere Kulturvermischung darstellen.
 

hdo

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Ich hatte mal irgendwo gelesen, das unsere jagdlichen Traditionen recht "neu" sind und auf die französische Feudal-Jagd bis in Zeit der Renaissance zurückgehen.

Sind also relativ neue Geschichten und die Gepflogenheiten am Hofe des franz. Sonnenkönigs erkenne ich nicht als "meinen" kulturellen Hintergrund an.
 
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Bachstelze schrieb:
... Ich widerspreche Skogman ausdrücklich, dass es DIE bruchgerechten Hölzer überhaupt gibt ...
O.K., aber in ausgerechnet in dem von Dir verlinkten Deutschen-Jagd-Lexikon
Bachstelze schrieb:
lese ich doch Folgendes: "Als Bruchgerechte Baumarten werden seitdem nur Eiche, Erle, Tanne, Fichte und Kiefer angesehen."
... und etwas Anderes habe ich nie behauptet.
 
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childfromthemountains schrieb:
... Es gibt dann kein Anrecht auf "Korrektheit" ...
Ein Anrecht auf "Korrektheit" gibt es in der Tat gewiss nicht, einen aktuellen Status quo aber sehr wohl. Und der beinhaltet meines Wissens noch nicht den Löwenzahn als bruchgerechte Pflanze (siehe z.B. oben verlinktes Jagdlexikon).
 
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Skogman schrieb:
Ein Anrecht auf "Korrektheit" gibt es in der Tat gewiss nicht, einen aktuellen Status quo aber sehr wohl.
Und wodurch definiert sich dieser und das "richtige" Brauchtum, von dem du vorhin gesprochen hast?

Ich glaube, dass der letzte Bissen als Teil des Brauchtums letzten Endes auch eine sehr persönliche Angelegenheit ist - die Wache am erlegten Stuck eingeschlossen, sofern sie denn stattfindet. Da möchte ich mir auch nicht vom schönsten Brauchtum vorgeben lassen, was für einen Zweig ich tunlichst zu verwenden habe. Denn wenn ich den Akt als letzte Ehrerbietung und nichts weiteres darüber hinaus sehe, dann spielt es keine Rolle was für ein Zweigchen da in den Äser geschoben wurde.
 
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Sumpfsau schrieb:
... möchte ich mir auch nicht vom schönsten Brauchtum vorgeben lassen, was für einen Zweig ich tunlichst zu verwenden habe ...
Wer das jagdliche Brauchtum für Sich ablehnt, der muss es ja nicht pflegen. Ich finde das zwar schade, akzeptiere es aber selbstverständlich. Personalisieren und individualisieren lässt es sich aber auch in der "Unterm-Strich-zähl-ich-Zeit" nicht. Beim Verblasen der Strecke blase ich bei "Sau tot" auch nicht die Noten, die mir besser gefallen.
Insofern darf als Status quo sicher das gelten, was in den aktuellen Lehrbüchern zu finden ist, bzw. was gelehrt wird.

Gerne nochmal:
"Es muß feste Bräuche geben,” erklärt der Fuchs dem kleinen Prinzen (Antoine de Saint Exupéry: Der kleine Prinz), als dieser sich beim Versuch der Fuchszähmung unbeholfen anstellt. „Es wäre besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen”, sagte der Fuchs. „Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit vergeht, um so glücklicher werde ich mich fühlen. Um vier Uhr werde ich mich schon aufregen und beunruhigen; ich werde erfahren, wie teuer das Glück ist. Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nicht wissen, wann mein Herz da sein soll ... Es muß feste Bräuche geben.”

Und als der kleine Prinz fragt: „Was heißt ‘fester Brauch?’”, antwortet der Fuchs: „Auch etwas in Vergessenheit Geratenes. ... Es ist das, was einen Tag vom anderen unterscheidet, eine Stunde von den anderen. ... Sonst wären die Tage alle gleich ...”
 
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Skogman schrieb:
Wer das jagdliche Brauchtum für Sich ablehnt, der muss es ja nicht pflegen. Ich finde das zwar schade, akzeptiere es aber selbstverständlich. Personalisieren und individualisieren lässt es sich aber auch in der "Unterm-Strich-zähl-ich-Zeit" nicht. Beim Verblasen der Strecke blase ich bei "Sau tot" auch nicht die Noten, die mir besser gefallen.
Insofern darf als Status quo sicher das gelten, was in den aktuellen Lehrbüchern zu finden ist, bzw. was gelehrt wird.
Völlig ohne negative Wertung finde ich deine Ansichten und die Art und Weise, wie du diese zumindest hier vertrittst, immer wieder sehr interessant - und in gewisser Weise z.T. sogar vorbildlich, auch wenn sie gelegentlich nicht mit meinen eigenen konform gehen.

Dein Vergleich zwischen Strecke verblasen und Letztem Bissen hinkt aber dennoch, und das dürfte dir eigentlich selbst klar sein. Zuzumuten wäre es dir jedenfalls allemal. Freilich findet zwar beides im Rahmen der Brauchtumspflege statt. Aber warum sollte ein Moment, der per se individueller nicht sein könnte als die lange und lange angestrebte Erlegung eines vielleicht sogar ganz bestimmten Stücks bei der stillen Einzeljagd, nicht personalisierbar sein?

Damit meine ich nicht "Guckt ja keiner zu, also ist ein Grasbüschel genauso gut", sondern schlicht den Wert des individuell Erlebten. Dieser wird für mich persönlich nicht durch Merkmale wie die Beschaffenheit eines Zweiges im Äser definiert. Deswegen lehne ich aber, auch wenn du das komischerweise zumindest unterschwellig unterstellen musstest, nicht jegliches jagdliches Brauchtum ab.
 
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Beim soviel Tiefschurf in menschliche Götterdämmerung
stellt sich doch die Frage, inwieweit sich der "letzte Bissen"
mit der anderen Begründung verträgt, dass die Brüche die
durch den Schuss entstandenen Körperöffnungen und das "Maul"
gegen Fliegen schützen soll(t)en.
 
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Sir Henry schrieb:
Beim soviel Tiefschurf in menschliche Götterdämmerung
stellt sich doch die Frage, inwieweit sich der "letzte Bissen"
mit der anderen Begründung verträgt, dass die Brüche die
durch den Schuss entstandenen Körperöffnungen und das "Maul"
gegen Fliegen schützen soll(t)en.
So hat man mirs eigentlich auch mal erzählt. Ich frag mich aber: Wenn das das Ziel ist bzw. war, warum nehm ich dann nicht ein Stück Schnur oder Rinde und binde den Äser zu?
 
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Sumpfsau schrieb:
... Dein Vergleich zwischen Strecke verblasen und Letztem Bissen hinkt aber dennoch, und das dürfte dir eigentlich selbst klar sein. ...
Ist es selbstverständlich. Aber nur insofern, als die Überzeichnung hier den Gegensatz zwischen Brauchtum und Individualisierung aufzeigen soll.

Sumpfsau schrieb:
... Wert des individuell Erlebten. Dieser wird für mich persönlich nicht durch Merkmale wie die Beschaffenheit eines Zweiges im Äser definiert ...
Wenn das so ist - was ich nicht in Abrede stelle - was spricht denn dann dagegen, für den letzten Bissen eines der aktuell als bruchgerecht gelehrten Hölzer zu verwenden? Wird das Erlebnis individueller je individueller die Beschaffenheit des letzten Bissen ist? Ist das gar Lust an irgendeiner Form des "zivilen Ungehorsams"? Wozu dient die vorsätzliche Verweigerung der brauchtumsüblichen Vorgehensweise? Die Fragen sind nicht rhetorisch gemeint - ich verstehe wirklich nicht, warum z.B. gerade beim letzten Bissen die aktuell übliche Form des Brauchtums abgelehnt wird.

Sumpfsau schrieb:
... Deswegen lehne ich aber, auch wenn du das komischerweise zumindest unterschwellig unterstellen musstest, nicht jegliches jagdliches Brauchtum ab ...
Die Definition dessen, was Brauch ist, schließt doch per se ein Anwenden a la carte aus: "Ein Brauch ist eine Handlung, die nicht beliebig oder spontan abläuft, sondern einer bestimmten Regelmäßigkeit und Wiederkehr bedarf, ferner einer brauchausübenden Gruppe, für die dieses Handeln eine Bedeutung erlangt, sowie einen durch Anfang und Ende gekennzeichneten Handlungsablauf, dessen formale wie zeichenhafte Sprache der Trägergruppe bekannt sein muss."
Nach meinem Verständnis kann also das Brauchtum kein Buffet sein, an dessen Inhalten ich mich nach eigenem Ermessen bediene. Wäre das so, so hätte das Brauchtum sein Wesen verloren und wäre eben kein Brauchtum mehr.

Das heißt nicht, dass Bräuche nicht der Veränderung unterliegen können / müssen. Aber diese Veränderungen können nicht individuell sein.
 
G

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Sumpfsau schrieb:
Sir Henry schrieb:
Beim soviel Tiefschurf in menschliche Götterdämmerung
stellt sich doch die Frage, inwieweit sich der "letzte Bissen"
mit der anderen Begründung verträgt, dass die Brüche die
durch den Schuss entstandenen Körperöffnungen und das "Maul"
gegen Fliegen schützen soll(t)en.
So hat man mirs eigentlich auch mal erzählt. Ich frag mich aber: Wenn das das Ziel ist bzw. war, warum nehm ich dann nicht ein Stück Schnur oder Rinde und binde den Äser zu?

Oder warum breche ich nicht einfach schnell sauber auf und schaue, dass das Stück zeitnah in die Kühlung kommt bevor ich durch den Wald stapfe und die richtige Baumart gefunden habe.
 

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