Der zweite Luchs

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Mitte August 2001 im Bayerischen Wald.
Eine Woche war ich mit meiner Ministrantenbande in Oberbayern unterwegs gewesen - und hatte damit die beste Blattzeit verpasst. Zurückgekehrt wollte ich's dann doch noch wissen. Zusammen mit der Dackelin mache ich mich am frühen Abend auf den Weg in eine Nordhangkanzel.
Der Anmarsch durch das Buchenlaub war erträglich, ein Regentag hatte den Boden nassgehalten.
Dackel, Rucksack, Drilling - alles fand seinen Platz auf dem kleine Sitz, einer meiner Lieblingsplätze. Dort hatte mir schon einmal ein feuerroter Altfuchs einen Abend lang im giftgrünen Heidelbeerlaub mit seiner Suche nach Süßem die Zeit vertrieben, ein andermal hatte eine Auerhenne ihr einziges Junges den Rückeweg entlang geführt, auch ein Kahlwildrudel war dort hinter mich in den Wind gezogen. Auch den ersten Bock des Pirschbezirks, voller Rachendasseln und mit zwei bastigen Stümpfen, hatte ich dort bekommen.
Der Abend war prächtig. Wie immer schmeckte die Jagd dann am besten, wenn vorher irgendetwas getan oder abgeschlossen war.
In diesem Fall die Ferienfahrt mit meinen lauten Jugendlichen.
Im Rucksack hatte ich das Brevier dabei - um noch eine Runde zu beten. Das gehört bei mir dazu. Wenn Gagern einmal schreibt, das Wild stamme aus dem Paradies und komme von Gott, dann gebe ich so darauf Antwort.
Das Stundenbuch ist schliesslich verstaut und ich beginne das Blatten. Vorsichtig. Ohne Hoffnung auf Erfolg, weil die Brunft sicher schon gelaufen ist. Aber man weiß ja nie. Von diesem lustvollen Gedanken lebt die Jagd.
Verhaltenes Blatten. Pause. Wieder.
Nach zwanzig Minuten hinter mir Schritte im Buchenlaub. Schräg den Hang herunter kommt ein Stück gezogen. Ein vorsichtiges. Das Gehörn ist nicht zu erkennen, aber ein kräftiger Körperbau. Achtzehn, neunzehn Kilo ?
Aus den Augenwinkeln heraus nehme ich noch eine Bewegung wahr und traue meinen Augen nicht : Links, die Rückegasse herab gleitet ein Luchs, hält ein und sichert. Schliesslich kommt auf die Freifläche, in Hutwurfweite zum Sitz. Er kontrolliert die Fläche mit wenigen Blicken, markiert einen Stein. Semmelgelb ist er, mit grauen, verwaschenen Tupfen. Kein rot-brauner Rücken. Ein Kuder von beachtlicher Größe. Der Wind passt.
Hinter mir wieder Schritte im Buchenlaub. Den Bock hatte ich vergessen.
Auf das Geräusch hin gleitet der Kuder von seinem Stein, presst sich auf den Boden und ist plötzlich am Rande der Freifläche, um den Hang einsehen zu können. Ich halte den Atem an.
Soll' ich mir den Bock wegfangen lassen ?
Schiessen geht nicht - das Reh steht nicht frei.
Nach etwa einer Minute jagt der Luchs das Reh an. Aber die Entfernung ist für ihn zu groß. Das Reh geht schreckend den Hang hinunter. Es will sich nicht mehr beruhigen.
Ich höre es noch nach Minuten.
Spannung fällt ab von mir. Aber nicht nur von mir. Das Schrecken des Rehs hält der Dackel nicht aus. Er fängt das Schimpfen an und "bellt" mit. Ich lasse ihn gewähren.
Was ich eben erlebt habe, ist einmalig.
Nach einer halben Stunde treten wir den Rückweg an.
Das Wild stammt aus dem Paradies und kommt von Gott - Gagern hat Recht.
Es war bereits die zweite Luchsbegegnung in diesem Jahr.
Der erste kam mir am ersten Mai. Ein Jungluchs war an einer anderen Stelle auf meiner Spur unter dem Hochsitz durchgewechselt.
Als ich davon dem Forstdirektor erzählte, meinte er, ich hätte mehr Glück als Verstand.
Hoffentlich nicht.

Euch allen eine gute Adventszeit !

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M.
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Moin Monsignore!
Schöne Geschichte-Ich hatte leider noch nicht den Anblick eines Pinselohres-kaum verwunderlich da es bei uns auf dem platten Land nur die verwilderte und oft auch unnötigerweise zu Schaden gehende Art der Felidae gibt.Auch die Wildkatze(Felis silvestris)ist bei uns in reinform nicht mehr vorhanden.
Aber zu ihrer Geschichte:Wer zumT... ist Gagern?(als bekennender Atheist und Küstenbewohner würde mich das schon interessieren.)
Im letzten Maimond durfte ich mit einen ihrer Mitbewerber der evg.Art in Südafrika Jagen.-bekehren konnte er mich zwar nicht.Doch waren seine Gespräche mit ihm oft lang und der Alkohol wurde brüderlich geteilt.

Mit nicht bibelfestem Gruß Lamü
 
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@Lamü: und dort keine rooikcat gesehen? Sind mit unserern Pinselohren verwandt und auch sehr schön anzusehen. Da hatte ich oft schon das Glück - allerdings nur sehr früh am Morgen.
@monsignore: für dieses Erlebnis gebe ich jeden Lebensbock. Jagd ist mehr als nur Totschießen (schönen Gruß an Zunder & Co.)

rolf
 
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@lamü :

Gagern taugt auch für "bekennende Atheisten"
(Was zum T. ist das ?). Ansonsten siehe Knaurs Lexikon der Jagd, S. 269.

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M.
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@monsignore
Herzlichen Glückwunsch zu Deinen Beobachtungen/Erlebnissen mit den Luchsen.
"Gute Beziehungen schaden nur dem, der keine hat."
Vielleicht ist es in Deinem Fall tatsächlich so, daß Du besonders gute "nach oben" hast.
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@ rolfsc

Ich hatte nur ein kurzes Erlebnis mit einer Katze der gefleckten Art.Frage nicht,wer mehr Angst hatte.

@ Monsigniore

wen zum T..eetrinken darf ich denn nun einladen,habe viele von Gagern im www. kennengelernt.Meinst du den,von der Männergruppe?
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Oder den,der gegen Napoleon gekämpft hat?

Dein beschriebenes Buch habe ich leider nicht,bin aber wirklich interressiert.Haste Mal ne ISBN-Nr?
 
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@ rolfsc,

habe meinen Luchs (Karakal,Rooicat) jetzt im Oktober in Namibia aber um 17,00 Uhr erlegt. 15kg. Ganz nett.
Wie schon gesagt: Unverhofft kommt oft.
 
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@monsignore

kein Problem - mach ich - gelegentlich sogar im Wald.
PS.
Ich hab keine Probleme mit dem Chef, ich hatte/habe nur manchmal Probleme mit dem "Bodenpersonal".
 
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6 Nov 2002
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@ foxhunter - Probleme Bodenpersonal :
Das kann ich nachvollziehen, die Angestellten von Gottvater & Sohn sind manchmal sehr ungeschickt.

@ lamü 67 :
Mit dem Teetrinken und auch mit einer ISBN-Nummer wirst Du Dich hart tun. Friedrich von Gagern (1882 - 1947)ist nur noch antiquarisch zu haben. Das Zitat stammt aus : "Innere Stimme" in : "Fr. v.Gagern : Tage nach meinem Herzen. Der grünen Chronik zweiter Teil, Parey 1962.
Gagern war m.E. einer der besten "Maler" unter den Jagdschriftstellern. Man braucht aber für ihn Zeit, damit er beim Lesen auf der Zunge zergeht. Sonst verschluckt man sich an manchen dick aufgetragenen "Farben". Wie dem auch sei, Gagern hat heute noch seine kleine Fangemeinde.
Gruß ins Ammerland !

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M.
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A

anonym

Guest
Mir kam mal auf der Jagd in Florida eine Rotluchs-Fähe mit Jungem auf ca. 15 Meter, beim Bodenansitz im Wald und trotz Signalorange. Wirklich sehr eindrucksvoll und schöner als mancher Abschuß...
Weidmann´s Heil, Dirk
 

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