Des Maien gold´ne Tage- Teil 1

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Des Maien gold´ne Tage

Eine Geschichte über einen fast unsichtbaren Rehbock.


Rehböcke schießen ist an sich nicht schwer. Einen bestimmten Bock in einem weitläufigen Waldrevier zu bekommen, schon schwieriger. Aber einen Bock, den man nur ahnt und jahrelang noch nicht einmal in richtig in Anblick bekommt, fast unmöglich.


Jagt man in einem reinen Waldrevier wie ich, wird die Sache interessant. Der Schlagweise Hochwald wird in dauerwaldähnliche Strukturen überführt und es gibt kaum einen Bestand, der nicht in Verjüngung steht. Besonders großflächige Buchennaturverjüngungen prägen mein Revier. Mir ist es mehrmals vorgekommen, dass ich Rehböcke einmal sah und alle Versuche der Erlegung oder erneuten Sichtung erfolglos blieben. So leicht lässt sich der Wald auch heute seine Geheimnisse nicht entreißen. Schon mein alter Ausbildungsoberförster sagte: "Waldjagd ist anspruchsvoll!“ Unter den heutigen Bedingungen gilt das erst recht. Richtige Winter sind selten und der Laubaustrieb meist schon im April. Der erste Mai als Aufgang der Bockjagd präsentiert sich oft schon recht gut belaubt. Alle nachfolgend genannten Erlebnisse verdanke ich dem an sich forstlich als Großschadereignis einzustufenden Sturm Kyrill und einem kleinen Lebewesen namens Ips typograhus, welcher als Sekundärschädling dem Sturm folgt. Beide haben geholfen, einen perfekt ausgeprägten Lebensraum (neuderdings würde man Hotspot sagen…) für Rehwild zu schaffen- genauer gesagt, Einstände für Rehböcke. Dieser Mosaikstein in den großräumigen Waldgebieten der südlichen Harzabdachung war, was die Ausprägung der Grenzlinien als auch die Lage und naturräumliche Ausstattung in meinem Revier betraf, einmalig.


Der Charakter meines Reviers hatte sich im Laufe der Jahre verändert, da sich durch o.g. Schadereignisse die wenigen angerissenen Fichtenaltbestände immer weiter lichteten und letztendlich geräumt wurden. Die so entstandene, ca. drei Hektar große Kahlfläche, um die diese Geschichte spielt, wurde mit Fichte und einzelbaumweiser Douglasie ohne Zaun nach Willen des Forstbetriebsleiters aufgeforstet. Die Fläche liegt an einem nach Südwesten geneigten Unterhang und wird ganz unten durch eine Kreisstraße begrenzt. Oberhalb der Kultur schließen sich großflächig Eichen- und Buchenjungbestände bzw. Stangenhölzer an.


Wie das mit den Rehböcken nunmal ist, Douglasie schein die Baumart zu sein, welche am liebsten befegt und verbissen wird. Jedes Frühjahr sah man gleich die weiß leuchtenden blankgefegten Douglasienstämmchen als Indikatoren, dass ein Bock hier seinen Einstand gewählt hat. Der Revierleiter rief mich jedesmal wutentbrannt an, endlich einmal den „Flurschädling“ dort abzuschießen, der seine jedes Jahr geringer werdende Zahl an Douglasien beim Fegen weiter zerfledderte. Mein Einwand, dass mit dem Abschuss eines Bockes sich dann binnen einer Woche ein neuer einstellt und der wiederum seine eigenen Einstandsbefegungen an anderen Bäumchen vornimmt, wollte ihm nicht recht einleuchten.


Aber nun zur eigentlichen Geschichte bzw. den Erlebnissen um den Phantombock:


Vor vier Jahren, also im Frühjahr 2013 entdeckte ich schon Mitte März dort die ersten frischen Fegestellen.
Es schien dann wohl kein junger Bock mehr zu sein, wenn der schon so zeitig fegte, aber genau weiß man das ja bekanntlich nie…
Eines schönen Maiabends saß ich auf der an der Kultur stehenden Scherenleiter um einmal nach dem Bock, der mir wieder in den Sinn gekommen war, zu schauen. So gegen 20:00 Uhr zog am jenseitigen Bestandesrand auf ca. 100 Gänge, noch in den verbliebenen Altfichten ein Reh langsam bergan. Hier und da immer mal wieder verdeckt, blieb es an einer in den Fichtentrauf gepflanzten Douglasie stehen und begann spielerisch daran zu fegen. Der Blick durch das Glas zeigte einen jüngeren, dafür aber abnormen Bock mit dünnen, kaum lauscherhohen Stangen. Das konnte wohl kaum der Gesuchte sein. Langsam griff ich zur Waffe und als er schön breit und ruhig stand, zog ich langsam den Abzug durch. Im Knall überschlug er sich und blieb hinter seiner letzten Fegestelle liegen.


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Der Abnorne


Die Blattzeit brachte den Bock auch nicht in Anblick, obwohl ich es mehrmals, auch an unterschiedlichen Tageszeiten versuchte.
Im Herbst 2013 wurde die Kultur etwas erweitert und eine kleine Fläche Douglasie dazugepflanzt, an welcher sich schon Anfang März 2014 die ersten Fegestellen zeigten. Er war also noch da, sinnierte ich.


Zum Aufgang der Bockjagd kamen Jagdfreunde und auf der an der Kulturfläche vorhandenen Scherenleiter ließ ich einen der Freunde ansitzen, mit dem Hinweis auf einen vermutlich älteren Bock, den er gerne bei passender Gelegenheit strecken dürfe. Aber Rehwild kam ihm gar nicht in Anblick, ein kleiner Familienverband Rotwild zog zeitig am Abend durch die Fläche. Später des Abends zog aus dem Unterhang eine große Rotte Sauen, die dort wohl ruhend den Tag verbracht hatte bergauf auf ihn zu und auf ca. 80 m an der Leiter vorbei über den Weg, ohne dass er zu Schuss kam. Nicht verwunderlich, dass kein Rehwild an diesem Abend auf die Fläche zog. Die Jagdfreunde kamen an anderer Stelle zu Erfolg und etwa eine Woche später begab ich mich dorthin, um nach dem Bock zu sehen. Ein schöner Maimorgen brach heran und als ich gegen 07:00 den Morgenansitz ohne Anblick gerade beenden wollte und mich eben nach dem Rucksack umdrehte, schlenderte ein Schmalreh an gleicher Stelle wie der krumme Bock im Vorjahr bergab. Erst im letzten Moment, bevor es in die Fichtendickung eintauchte, verhoffte es und die 8,5x63 warf es im Knall auf die Seite.


Der Mai verging ohne Anblick des Bockes. Eine Ricke mit Kitz stand jetzt in der Fläche und war bei jedem Ansitz zu sehen. Verdammt noch mal, irgendwann muss sich der Bock doch mal ansehen lassen.
Dass er noch da war, daran bestand für mich kein Zweifel, kein anderer Bock, nicht mal ein Jährling war bis zur Blattzeit auf der Fläche zu sehen, obwohl ich dort mehrmals, vor allem morgens ansaß.
Die Blattzeit kam und ich versuchte es gleich Brunfteingang. Schon beim Angehen der Leiter war wüstes Treiben im unteren Bereich der Kultur, direkt über der Kreisstraße zu hören. In diesem Bereich war der Bestand aber so verfilzt und verwachsen, dass ich den ganzen Morgen nur das Keuchen und Plätzen hörte, aber keinen Anblick hatte. Der Bock schreckte mehrmals abgrundtief und langanhaltend von derselben Stelle. Ich wusste, dass dort ein ausgetretener Wechsel über der Straße im unteren Bereich der Kultur verläuft, den man vom Sitz aufgrund der dichten Vegetation nicht einsehen kann. Schon war ich versucht, eine Pirsch dem Bock entgegen zu wagen, besann mich aber anders. Das Risiko ihn zu vergrämen war zu hoch und die Brunft erst am Anfang, es würde schon noch klappen. Zur eigentlichen Blattzeit, so um den vierten August war ich wieder zur Stelle und lieferte mit dem Rottumtaler mein schönstes Konzert ab. Aber selbst auf eine haarsträubend herzergreifende Angstgeschrei- Serie stand nichts zu. Das Kitzangstgeschrei brachte nur die Ricke, aber ohne Bock vor die Leiter. Es war wie verhext, wenigstens einmal sehen wollte ich den Bock, eine Bestätigung meiner Vermutungen haben.

Der September kam und weibliches Rehwild stand mir jetzt vordergründig im Sinn, als ich mich eines Morgens wieder zu der Scherenleiter an der Fläche schlich. Im ersten Licht knallte und brach es gewaltig von der Straße unten her auf die Kultur und wenige Momente später trollte ein starker Hirsch mitten durch die Kultur bergauf ohne einmal zu verhoffen. Diesen Vormittag hatte ich nicht viel Zeit und musste gegen 08:00 Uhr schon einen Termin wahrnehmen. Als ich, schon in Gedanken an das Abbaumen einmal kurz nach rechts sah, kam wie aus dem Nichts auf ca. 100 m ein im Wildbret starker Rehbock mit schwarzen knuffigen Stangen zügig den Hang herauf gezogen. Wie ein Blitz durchzuckte es mich- das muss er sein, endlich – der Langgesuchte. Der Bock zog energisch bergan und tat mir nicht den Gefallen anzuhalten. Erst kurz vor dem Forstweg verhoffte er und im Knall sackte er zu Boden. Das alles ging so schnell, dass ich erst nach einer Weile die Situation noch einmal in Gedanken durchspielte. Mein Unterbewusstsein sagte mir, dass irgendwas nicht stimmt und nach einer Weile, in der ich mir die Ereignisse mehrmals in Erinnerung rief, kam es mir so vor, dass der eben gestreckte Bock vom Habitus eher jung aussah.

Als ich am Gestreckten stand, wurde es Gewissheit. Der Bock war gut, aber leider nur ca. dreijährig. Der Phantombock konnte es demnach nicht sein. Mein Wunsch, den langgesuchten Bock endlich zu bekommen, hatte wohl meinen Blick getrübt. Ich ärgerte mich sehr, mich so hinreißen zu lassen, aber hinstellen konnte ich den Bock auch nicht mehr. Ich versorgte den Bock und ging, über das Erlebte sinnierend langsam zurück zum Auto. Direkt am Waldeingang war eine Wiesenschlenke und Ricke und Kitz ästen vertraut in der Morgensonne. Stimmt, sie waren auf dem Weg in ihren Tageseinstand auf der Kulturfläche, dort sah ich sie ja heute Morgen nicht. Etwas Zeit bis zum Termin war noch und ich baute vorsichtig mein Dreibein auf und konnte das Kitz sauber erlegen. Durch die sozusagen fast- Doublette besserte sich meine Stimmung und ich fuhr gutgelaunt in die Kühlzelle.

Anhang anzeigen 34795
Der Dreijährige

Wie sich herausstellte drohte dem Phantombock nicht nur von mir Gefahr. Zu den Herbstlichen Stöberjagden wurden jetzt auch Rehböcke freigegeben, um beim Rehwild mehr Strecke zu machen. Ich hatte etwas Sorge um den Bock und hoffte, dass er nicht zur Strecke kam. Die abgesetzten Hundeführer schnallten aber wegen der nahen Kreisstraße ihre Hunde nicht und so war ich zuversichtlich. In dieser Drückjagdsaison kam der Bock jedenfalls nicht zur Strecke.



Weiter in Teil II
 
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