Mein Hund macht gar nichts!

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Gelöschtes Mitglied 1255

Guest
Vor einiger Zeit rief mich mein Vater an und teilte mir mit, dass unser Freund Ludwig im gesegneten Alter von über 80 Jahren verstorben sei. Ludwig war unser Jagdfreund und hatte sich vor über 25 Jahren bereit erklärt, als mein Lehrprinz zu fungieren.
Er hatte den Wunsch geäußert, in aller Stille beerdigt zu werden, so dass mir nur Gelegenheit dazu blieb, mich an unsere gemeinsame Zeit zu erinnern.
Dabei fiel mir folgende Begebenheit ein, die zwar schon so lange zurückliegt, aber durch die momentane Diskussion über das Verhalten von Hunden sowie das Auftreten von Jägern mit ihren Schusswaffen in der Öffentlichkeit nach wie vor aktuell ist.
In unserem Taunusrandrevier fiel um die Weihnachtszeit immer wieder mal Schnee; an diesen Tagen beschickten wir regelmäßig die Fütterungen mit Rübenschnitzel und gequetschtem Hafer (von Fütterungsverbot sprach damals noch keine rot-grüne Regierung in Hessen !).
Ich war noch Student und ließ die ein oder andere Vorlesung sausen, um mit Ludwig im Revier zu sein. Wir hatten unsere Rucksäcke an diesem Vormittag geleert und waren auf dem Rückweg zum Wagen. Ludwig führte eine Drahthaarhündin an der Umhängeleine, über der rechten Schulter hing seine schnittige Ferlacher Bockbüchsflinte, natürlich geladen, für alle Fälle. Er zeigte mir immer wieder Fährten, Wechsel, Spuren und wir überlegten, ob ein Abendansitz auf Fuchs und Sau lohnend wäre.
Plötzlich kam uns auf dem Waldweg ein Berner Sennhund entgegen. Er war nicht angeleint. Als der große Hund uns wahrgenommen hatte, ging er in Down-Stellung, knurrte und sträubte das Nackenfell. Im gleichen Moment tauchte hinter dem Hund eine junge Frau auf und versuchte, den Hund zurückholen und rief dabei mehrfach: „Er macht nichts!“
Der Sennhund reagierte nicht, sondern zog die Lefzen hoch, zeigte sein riesiges Gebiss und sprang plötzlich und unerwartet mit wenigen Sätzen auf die angeleinte Drahthaarhündin. Der angeblich so gutmütige Berner Sennhund biss die Hündin im Nacken- und Kopfbereich, dabei jaulte diese auf. Sie konnte sich aber aufgrund ihrer eingeschränkten Bewegungsfreiheit nicht wehren oder dem Angriff entziehen. Ludwig schrie dauernd den Hund oder die junge Frau an, allerdings ohne Erfolg, während ich völlig hilflos daneben stand. Dabei riss er an seiner Führerleine, um seine Hündin freizubekommen, drehte sich seitlich weg und verhedderte sich in dem Riemen. Der Tumult währte eine ganze Weile, als plötzlich ein Schuss fiel. Sofort ließ der große Rüde von der Hündin ab und rannte mit eingeklemmter Rute zu der jungen Frau. Diese verließ wortlos den Waldweg, nun folgte ihr der verstörte Angreifer willig.
Was war passiert? Während des Gerangels, beim Wegzerren seiner Hündin, rutschte Ludwig der Gewehrriemen von der Schulter. Da er keine Hand frei hatte, schlug die Bockbüchsflinte auf den gefrorenen Waldboden, dabei lösten sich trotz Sicherung der Kugel- und der Schrotschuss. Glücklicherweise zeigte die Laufmündung in eine Richtung, in der niemand gefährdet war. Es hätte, wie sich jeder denken kann, auch ganz andere Folgen haben können.
Jetzt erst konnten wir den Drahthaar genauer untersuchen. Aufgrund seines dichten Felles hatte er nur einige kleine Bisswunden im Kopf- und Nackenbereich.
Trotzdem wollte Ludwig einen Tierarzt aufsuchen.. Auch an der Waffe war kein Schaden entstanden, aber Ludwig musste sie zum Einschießen und Justieren bei einem Büchsenmacher abgeben. Wir dachten eigentlich, der Zwischenfall wäre damit, natürlich zu Ludwigs Lasten, erledigt. Vor Aufregung hatten wir es nämlich versäumt, den Namen der jungen Frau zu erfragen, um aus unserer Sicht gerechtfertigte Ansprüche an sie zu stellen.
Wenige Tage nach diesem Ereignis tätigte Ludwig einige Bankgeschäfte auf der Sparkasse.
Dort begrüßte ihn der ihm gut bekannte Forstamtsleiter mit den Worten: „Na, schießt ihr im Wald schon auf wehrlose junge Frauen und harmlose Hunde!“ Ludwig wurde zu Recht ganz ärgerlich und klärte den verduzten Amtsleiter erst einmal über den genauen Ablauf des Ereignisses auf. Dieser entschuldigte sich daraufhin und berichtete Ludwig, dass ihn der Pfarrer einer Nachbargemeinde angerufen und gefragt hatte, ob sich die beiden Jäger korrekt verhalten hätten, als sie von ihrer Schusswaffe Gebrauch machten und dabei die Frau oder den Hund gefährdet hätten. Der Pfarrer war ebenso nicht über den tatsächlichen Hergang informiert worden. Die junge Frau führte dessen Hund nur gelegentlich aus und verschwieg ihm, dass sie und der Sennhund diesen Zwischenfall verursacht haben.
Ludwig war sehr dankbar darüber, dass er einen „Zeugen“ dabei hatte, der ihn bei seiner Darstellung unterstützen konnte. Nicht auszudenken, wenn er allein unterwegs gewesen wäre, und es aufgrund der Schüsse zu einer Anzeige gegen ihn gekommen wäre, oder das Geschoss bzw. die Schrote einen der beteiligten Menschen oder Hunde verletzt hätten. Vermutlich hätte er eine Verurteilung schlecht abwenden können. MfG
 
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27 Jan 2004
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Diese Storry kenne ich irgendwo her, ich glaube aus einer Jagd-Zeitschrift. Evtl. 'Jäger'. Kann das sein?
 
G

Gelöschtes Mitglied 1255

Guest
Stimmt! Nachdem sie dort gedruckt und somit veröffentlicht worden sind, ich mein fürstliches Honorar eingestrichen habe, erlaube ich mir, sie hier als Jagderlebnis einzustellen
(Urheberrecht)! Auch die anderen Erzählungen in dieser Ruprik haben den gleichen Vorlauf!MfG
 

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