Mitte August ist es brütend heiß als ich früh zum Abendansitz aufbreche.
Meine Kanzel für den Abend ist eine selten benutzte, halboffende die an
einem leichten Hang unterhalb einer Suhle steht. Ringsum kilometerweise
nur Wald, von Lichtungen und Dickungen unterbrochener Hochwald. Die Tage
zuvor hatte es immer mal geregnet und der Matsch ist zum Teil tiefer als
meine Gummistiefel hoch sind. Man kann eigentlich nur auf den
Baumwurzeln laufen. Überall riecht's nach Schweinen.
Hier sass ich noch nie aber angeblich wechseln in dieser Ecke viele Rehe
und sogar Rothirsche kämen ab und an hier durch. Ich habe eine 8x57 IS
und eine .243 Win. Repetierbüchse dabei. Ich will ja auf alles gut genug
vorbereiten sein. Drahthaar Eva hatte mit ihren knapp vier Monaten einen
anstrengenden Tag und schnarcht auf dem Kanzelboden leise vor sich hin,
ich lese. Immer wieder knackt's. Ringeltauben! So schwer, daß sie
andernorts auch schon Kuhtauben genannt werden, brechen dünne Ästchen.
Stundenlanges ableuchten mit dem 7-fachen Glas zwischen den Baumstämmen
hindurch bringt mir trotz aller Konzentration kein vierläufiges Wild in
Anblick. An uns kann's nicht liegen wir hatten schon guten Anlauf, trotz
Hundewitterung und meiner. Der Wind paßt auch.
Direkt unter der Kanzel verläuft ein Rückeweg dessen tiefe Gleise immer
feucht zu bleiben scheinen und wuchernden Farn beherbergen. Nur rechts
von mir, wo der Weg etwas ansteigt und in den Fichtenbestand führt ist
er trocken und unbewachsen. Und just da huscht etwas kleines graues
durch meinen Augenwinkel.
Glas runter, gucken, Waschbär! Der trollt sich von hinten über den Weg
direkt Richtung Suhle. Mein Hirn rattert: Sauen darf ich, einen nicht
vereckten Jährling hab ich frei, Füchse darf ich, Dachse soll ich. Mist
von Waschbär hat er nix gesagt. Wie war das gleich noch. Keine
Schonzeit. Nachwuchs sollte schon groß genung sein. Den nehm ich.
Der Waschbär hatte während dieser Gedanken gerade Zeit gehabt den Weg zu
queren. Ich denke noch welche Waffe und greife die .243 Win. In den
Stunden des Wartens habe ich mir genau überlegt, wie ich das machen
werde, wenn der Fuchs kommt: Hinters Blatt halten, auf kurze Entfernung
hoch anhalten da ich ja auf GEE eingeschossen habe, ihn anrufen und wenn
er sichert sofort schiessen. Habe ich ja oft genug so erzählt bekommen.
Als es dann soweit war, ist von diesen Überlegungen nichts mehr
geblieben. Ich hatte nur noch die Beute im Sinn. Innerhalb der Bretter
lautlos entsichert, Waffe auf's Ziel, eingestochen und mit gefahren.
Mittlerweile war 'mein' Bär schon nach vorne raus gut zu sehen und zog
weiter nach links. Ich sehe Baum, Bär, Farn, Bär, Baum, Baum, Bär und
Bumm. Reflexartig repetiert und erst dann wieder angefangen zu denken.
Im Glas liegt der Waschbär und zappelt ganz fürchterlich. Ich bin sofort
an meinen ersten Fuchs erinnert. Wenn der jetzt hier hoch wird isser
weg. Weiter vorne nur noch hoher Bodenbewuchs. Also raus mit dem zweiten
Schuß, mitten drauf. Ich kann nicht erkennen wo vorne und hinten oder
oben und unten ist. Danach ist nur noch mein kleiner Hund aktiv der, jäh
aus dem Schlaf gerissen, nach der Beute Ausschau hält und sich brummend
wieder hinlegt, als er von da oben nix entdecken kann. Weder im
Zielfernrohr noch anschließend mit dem Fernglas kann ich etwas
entdecken. Auch bin ich mir mit einem Male gar nicht mehr sicher, in
welche Richtung ich genau geschossen habe.
Ja ich habe doch die Bäume mitgezählt. Kein Problem. Aber wo hatte ich
angefangen? In einem Wald voller Bäume gar nicht so einfach. Und wenn
einem die Hände zittern und der Atem hüpft noch viel schwerer! Bis zum
zweiten Schuß war ich völlig ruhig. Zwar angespannt, aber da war kein
hüpfen im Glas. Und ich habe ihn ja liegen und zappeln sehen und der
zweite Schuß war ja bestimmt auch drauf. Ich muß nur noch abbaumen und einsammeln.
Bis sich mein Körper wieder beruhigt hat ist es stockdunkel geworden.
Ich nehme den kleinen Hund untern Arm und klettere runter. Angeleint
marschieren wir nach vorne. Die Kleine ist völlig aufgeregt, ob der
Schweinedüfte um sie rum. Ihre Rute könnte sie auch als Propeller zum
Vorwärtsantrieb nutzen. Ich leuchte mit der Taschenlampe den Boden an
Und finde rein gar nichts. Aber hier war's, da bin ich mir sicher. Hmm,
von hier zur Kanzel sind ja gerade mal 30 Meter. Von oben habe ich die
Entfernung gar nicht wargenommen. Der Waschbär war halt schön groß im
6-fachen Glas.
Also stapfen wir beide zig-zag gegen den Wind weiter und ich leuchte
immer wieder auf Eva's Hinterteil. Eigentlich will ich nach rechts, aber
mein Hund zieht nach links. Ich erinnere mich an die erste
Nachsuchenregel: Der Hund hat immer Recht! und folge. Und siehe da, nach
ein paar Metern bewegt sich ihre Rute nur noch in Zeitlupe. Im Licht der
Lampe erscheint auch nach wenigen Schritten im Matsch der gesuchte
Waschbär. Eva ist äußerst vorsichtig und bewindet erstmal aus Distanz,
aufgemuntert von mir steckt sie dann doch ihre Nase in seinen Balg und
ist noch aufgeregter als zuvor.
Die, wie sich herausstellt, Waschbärin liegt auf der Ausschußseite
direkt vor einem modernden Stämmchen und ist halb im Matsch versunken.
Ohne Hund, wenn's auch noch ein Kleiner ist, hätte ich die nie in der
Nacht entdeckt, außer ich wäre draufgetreten. Die Eingeweide liegen
drumherum, der Bär ist an der Unterseite vom Rippenbogen bis zum
Waidloch komplett offen, geplatzt sozusagen. Der Vorderlauf auf der
Einschußseite hat ein Loch im Knochen, das Becken ist zertrümmert und
der Hinterlauf auf der Ausschußseite hängt nur noch an der Haut. Leider
weiß ich nicht welcher Schuß welche Wirkung gezeigt hat. Ich habe mit
einer Laborierung von Geco mit 6,8g TMR geschossen. Für Waschbären und
wohl auch für den Fuchs totaler Overkill.