Nicht so schnell, Stöberjäger - Du befürchtetest wohl, von mir jetzt wirklich die Antwort zu bekommen, nach der Du gerade noch gefragt hattest ?
Am Worte anzusetzen, wie Du es jetzt unternimmst, ist ja auch grundsätzlich erst einmal richtig (schließlich war es nach Johannes "im Anfang") und entspricht dem hierarchischen Kanon der interpretativen Hermeneutik - angesetzt werden kann also sowohl am Ausdruck "Aufzucht" als auch am einschränkenden Adjektiv, das nun einmal ganz bewußt "notwendig" lautet (und nicht "hilfreich, förderlich, irgendwie von Betracht").
"Aufzucht" ist das Großwerden, und zwar nicht bis zum Hauptschwein (ohnehin erstaunlich, wievielen der jagdsprachlich offenbar mehrheitlich nicht ganz sattelfesten Poster sich unter der Hand ihre ursprünglichen Frischlinge und Überläuferchen im Netz verschriftlicht dann zu währschaften Schweinen aufblasen), sondern bis zum Selbständigwerden. Und Selbständigkeit heißt bei gesellig-hierarchisch lebenden Tieren (wie sus scrofa) auch nicht "Einzelgängertum, Lösung vom Muttertier", sondern "im Bedarfsfall eigenständig zum Überleben fähig".
Und das ganze erkläre ich auch noch einmal etwas näher unten unter Ziffer 4.
Zunächst einmal will ich aber noch auf Wutachs und houndmanns Anfrage antworten:
1. Zur praktischen Anwendung und Umsetzung des Jagdrechts durch Behörden und Gerichte, von der - im Gegensatz zu mir - sowohl Reineke als auch Alexander keine Ahnung habe, empfehle ich Euch einen Blick auf die beiden Postings von Stöberjäger und wakoho (auf das erstere hatte ich im übrigen schon bestätigend Bezug genommen).
Srafverfahren gibt es in dem Bereich nicht, und Jagdscheinentziehungen gleich doppelt nicht (unter anderen wäre letzteres auch deshalb nicht möglich, weil der von Alexander - wie üblich fehlerhafterweise - herangezogene § 17 Abs. 4 BJG die Regelvermutung mangels entsprechender Verurteilungshöhe gerade *nicht* hergäbe).
2. Juristen freuen sich, wenn sie ihre Meinung in einem Kommentar bestätigt finden. Schlechte Juristen oder Netz-Möchtegernjuristen freuen sich doppelt. Daß in Kommentaren oft auch "Schwachsinn" zu finden ist (so der allgemein und auch im konkreten Fall zutreffende Einwurf von Amadeus), stört diese Freude nur unwesentlich. Denn gerade wer Schwachsinn verbreitet, freut sich natürlich, wenn es außer ihm noch andere Irre(nde) gibt; das sogenannte Geisterfahrer-Phänomen
.
3. Außerdem werden durch Kommentarzitate die Schriftsätze typographisch aufgelockert (weil diese in kleinerer Type oder kursiv gehaltens sind), und sie sollen dem Mandanten zeigen, daß das - hoffentlich hohe Honorar - berechtigt ist und daß der Anwalt etwas für ihn tut. Den Richter interessiert der Kommentar weniger, denn er schaut erst einmal ins Gesetz.
Dennoch ist es natürlich unterhaltsam und bildend, mal zu schauen, was denn die anderen Kollegen so meinen - keine juristische Hausarbeit ohne ausführliche Darlegung des "Meinungsstandes", und wie langweilig, wenn es da keine Abweichler gäbe. Und wenn wir das tun und einmal nicht in das dünne und auch sonst qualitativ zumeist unbefriedigende Bändchen des Kurzkommentars von Lorz/Metzger/Stöckel schauen, sondern in den seit dem Reichsjägermeister selig als "Standard" geltenden Kommentar von Mitzschke/Schäfer (der mit Stand 1982 freilich schon wieder ziemlich veraltet ist), was fällt einem dann sofort auf ?
4. Nu, es fällt die dreiste Verlogenheit auf, mit der sich Reineke und Alexander zwar indirekt (nämlich aus zweiter Hand qua Metzger) auf Mitzschke/Schäfer zu stützen vorgeben, obgleich dieser - soviel lesen konnte der Kommentator dann doch - das genaue und klare
Gegenteil aussagt. Nämlich das, was ich schon Stöberjäger vorab schrieb, bevor ich's jetzt netterweise nachgeschlagen habe: "notwendig" ist, was notwendig ist. Oder im Wortlaut:
"Selbständig geworden ist ein Jungtier, sobald es sich selbständig fortbewegen und sich selbst Nahrung verschaffen kann; zur Aufzucht notwendig sind Elternteile insoweit, als ohne sie das Jungtier zugrunde gehen würde." (§ 22 Rn. 11 auf S. 335, 4. Aufl. 1982).
Ebenso übrigens auch - ich trage dies nach dem Posting von Amadeus noch nach, zur Vervollständigung - die ansonsten sehr konservative Loseblatt-Kommentierung von
Nick/Frank/Frank: Das Jagdrecht in Bayern (4. Aufl. mit Nachlieferungen), § 22 BJagdG u. Art. 33 BayJG, S. 222:
"Zur Aufzucht notwendig sind Elternteile so lange, bis das Jungtier ohne sie nicht mehr zugrunde gehen würde."
Für eine derartige, ich geb's zu, Trivialität muß man freilich weder Jurist sein noch Lehrstuhlinhaber für Wildbiologie und Jagdwissenschaft. Elementarkenntnisse der deutschen Sprache sollten eigentlich ausreichen.
5. Es bleibt also dabei: die Geisterfahrer des Threads (mit 180 km/h gegen den Verkehr, aber dafür mit aufgeblendeten Scheinwerfern) sind nicht die Landesjagdverbände, die Landesforstverwaltungen, die obersten Jagdbehörden und die verschiedenen Fachautoren, sondern Reineke und Alexander. War ja auch schwerlich anders zu erwarten.
Wünscht Weidmannsheil auf Sauen und insbesondere Bachen,
Carcano
[ 04. Oktober 2002: Beitrag editiert von: carcano ]